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Derisking Startups – ein Mythos

Schneller, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen? Ein kritischer Blick auf das Lean Startup

Die Entwicklung des Lean Startups

Im Jahr 2011 veröffentlichte Eric Ries sein Buch "The Lean Startup" und prägte damit den Begriff des "Lean Startup". Das Konzept wurde vom Redline Verlag als "schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen" beworben und gilt heute als Standard in Vorlesungen, bei Investoren und Acceleratoren. Trotzdem scheitern immer noch viele Startups, was auf eine falsche Anwendung des Konzepts hindeutet.

Das Lean Startup basiert auf den Four Steps to Epiphany von Steve Blank aus dem Jahr 2007 und anderen, die die Grundlage vieler Dogmen bilden, die heute bei Startups akzeptiert werden. Ries kommt aus einem Hintergrund iterativer Prozesse, insbesondere des Design Thinking. Er adaptiert die ersten drei Schritte in einen Zyklus anstelle eines linearen Prozesses und legt den Kern des Lean Startups auf den Build-Measure-Learn Cycle.

Dieser besagt, dass wir schnell ein Prototyp bauen sollen, damit an den Markt gehen um die Wirkung zu messen. Daraus lernen wir für den nächsten Zyklus, in dem wir wieder ein neuer Prototyp bauen. In der Theorie reduzieren wir somit die Gefahr in eine falsche Richtung zu laufen und damit zu scheitern.

Vor dem Konzept des Lean Startup wurden schon vor der Business Validation lange Business Pläne geschrieben, die auf mehreren hundert Seiten alle relevanten Informationen zu Kunden, Produkt und Märkten enthielten. Offensichtliches Problem dabei war, dass alle diese Daten in vitro entstanden sind. Zusammen mit anderen Faktoren hat dieses Modell in der New Economy Krise geendet. Einige Beispiele für Unternehmen, die damit scheiterten, sind Instacart und andere.

Weniger Risiko dank agiler Entwicklung?

Studien zeigen, dass heute jedes Startup die Lean Startup Methodik verwendet, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Startups weniger riskant geworden sind. Um dem De-Risking auf die Spur zu kommen, wurden amerikanische Datenreihen untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass ein Lean Startup nicht weniger risikobehaftet ist. Tatsächlich sind der Anteil der Insolvenzen in Innovationsmärkten seit der Einführung von Lean Startup konstant geblieben. Ebenso ist das anteilige Wachstum nicht signifikant unterschiedlich. Daraus ergibt sich das Verständnis, dass Lean Startup kein De-Risking für das Gesamtunternehmen mit sich bringt.

Eine Erklärung, wieso diese Theorie nicht funktioniert, liegt in der Risikolandschaft. Stellen wir uns eine hypothetische Risikolandschaft mit zwei Entscheidungsdimensionen und einer Risikodimension (z) vor. Um das Risiko zu minimieren, treffen wir Entscheidungen auf der Entscheidungsebene. Ein langer Businessplan geht hier mit großen Schritten voran, um an Stellen der Risikoebene zu kommen, die wir initial nicht abschätzen können. Daher ist der Wert von Business Plänen nicht unterscheidbar von zufälligen Entscheidungen.

Die Idee des Lean Startups geht nun inkrementell in den Schritt des stärksten Gradienten, also in die Richtung, in der wir das Risiko am stärksten reduzieren können. Die Studie zeigt nun, dass wir uns schnell in ein lokales Minimum bewegen, welches global gesehen nicht optimal ist. Um daraus wieder zu entkommen, benötigen wir einen Pivot der uns an einen anderen Ort der Risikoebene bringt. Da wir wieder nicht wissen können, welche Minima erstrebenswert sind, können wir auch mit Lean Startup keine signifikanten Ergebnisse zu der Optimierung des Risikos erreichen.

Trotzdem bietet das Konzept einen Vorteil, da schnelleres Marktfeedback möglich ist und weniger Wertvernichtung durchgeführt wird, da kein langer Businessplan mit falschen Annahmen geschrieben wird. Das Risk Management rückt in den Vordergrund, um die Risikobehaftung zu minimieren. Im Idealfall gibt es entweder kein Return oder einen massiven Return. In anderen Worten, ein erfolgreiches Startup kreiert sehr viel Wert für alle beteiligten, während ein nicht erfolgreiches Startup den Wert der beteiligten vernichtet. Da der Outcome nahezu binär ist, ist eine Risikostreuung des Outcomes nur über die Masse möglich. VCs können in viele Startups investieren, um im binären Erwartungswert an den gleitenden Erwartungswert zu kommen, während Gründer nur ein Startup leiten können, weswegen der binären Erwartungswert gegen null geht. Daraus folgt der fundamentale Interessenskonflikt der Startup-Finanzierung, der in einem anderen Beitrag behandelt wird.

Schlussfolgerungen für die Praxis

Zu glauben, mit Lean Startup ließe sich erwartbar ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen ist ein Trugschluss. Ein Gründer kann nicht davon ausgehen, dass er oder sie einen guten finanziellen Return davon bekommt. Gründer müssen sich ein ordentliches Gehalt auszahlen und darauf achten, das Risiko finanziell zu kompensieren. Da Investoren dieses Interesse klar nicht haben, müssen wir an sie appellieren, die Gründer auch langfristig zu unterstützen.

Außerdem zeigt das mathematische Modell, dass wir neben dem Lean Startup zur Findung lokaler Optima eine Methodik brauchen, um global Risikominimierung betreiben zu können. Dies ist Aufgabe der Forschung. Interessierten forschenden gebe ich gerne einen tieferen Einblick in das Thema.

Woher kommen die Daten

Wir haben diese Studie an der HHL im Rahmen einer statistischen Masterarbeit durchgeführt. Die Daten stammen aus öffentlich zugänglichen Zeitreihen US-amerikanischer Behörden. Entsprechend ist unsere Datenbasis beschränkt auf US-amerikanische Unternehmen. Unsere Zeitreihe läuft von 1990 bis 2020, und ist nach vielen Einflussfaktoren, beispielsweise Wirtschaftszyklen korrigiert.

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